Zur Regierungsbilanz von CDU und FDP nach den ersten vollen 100 Tagen unter Ministerpräsident Hendrik Wüst erklären Verena Schäffer und Josefine Paul, Vorsitzende der GRÜNEN im Landtag NRW:
Verena Schäffer: „Ministerpräsident Wüst ist seit 100 Tagen im Amt, sein Regierungsinstrument sind allerdings weniger konkrete Taten, sondern die Flucht in große Worte. Besonders bei der großen Zukunftsaufgabe, NRW klimaneutral zu machen, braucht es eine Landesregierung, die ihre Hausaufgaben macht und für mehr Klimaschutz sorgt, anstatt weiter zu blockieren wie beim Ausbau der Windenergie. Gleiches gilt für die Solarenergie. Solar auf jedem Dach muss zum Standard werden, die Landesverwaltung kann dabei mit gutem Beispiel vorangehen. Doch die Landesregierung kommt mit ihren geringen Erhöhungen der Zubauziele für Wind und Photovoltaik nur in Trippelschritten voran. Ministerpräsident Wüst und seine Landesregierung sind nicht bereit, den klimapolitischen Aufbruch aus Berlin auf NRW zu übertragen. Solange Schwarz-Gelb an den pauschalen Mindestabständen für Windenergieanlagen festhält, bleiben ihre Ausbauziele unglaubwürdige Ankündigungen ohne Substanz. Hinzu kommt, dass diese Landesregierung keinen Euro mehr für Klimafolgenanpassung in Kommunen vorsieht, ein schweres Versäumnis insbesondere nach dem verheerenden Hochwasser im Juli letzten Jahres.
Auch beim Artenschutz zeigt sich Wüst in seinen ersten 100 Tagen im Amt als Mann der großen Worte, an Taten mangelt es jedoch. Seine Regierung hat immer noch nicht begriffen, wie eine moderne und nachhaltige Flächen- und Ressourcenpolitik in NRW aussehen müsste und welche Verantwortung sie hier trägt. Stattdessen plädiert sie für ein alternativloses ,Weiter so‘ und handelt nach dem Motto ,Augen zu und durch‘ beim Kies- und Sandabbau – ohne Rücksicht auf Verluste bei Landwirtschaft, Heimat und Naturschutz. Dabei handelt sie ohne jegliches Augenmaß und ohne eine angepasste Bedarfsberechnung. Zwar nennt Hendrik Wüst die Bewahrung der Schöpfung als eine der größten Herausforderungen unserer Zeit; die schwarz-gelbe Regierung veranstaltet große Artenschutz-Konferenzen und spricht davon, Artenvielfalt als gesamtgesellschaftliche Aufgabe zu leben. Mit ihrer Politik bewirkt die Regierung Wüst in Wahrheit aber genau das Gegenteil. Denn sie hat weder die nötigen gesetzlichen Vorgaben gemacht, noch die notwendigen Finanzmittel im Landeshaushalt eingeplant.“
Josefine Paul: „Verlässlichkeit und gute Kommunikation sind von zentraler Bedeutung in der Corona-Pandemie. Aber Ministerpräsident Wüst knüpft an der Chaos-Kommunikation seines Vorgängers an. Gleichzeitig schafft es der Ministerpräsident nicht, seine Koalition auf einen einheitlichen Kurs in der Pandemie-Bekämpfung zu bringen. Mit ihren parteipolitisch motivierten Lockerungs-Übungen trägt die FDP nicht zur Pandemie-Bewältigung bei und stellt sich immer wieder gegen Ministerpräsident Wüst, der stets betont, zum ,Team Vorsicht‘ zu gehören. Dabei hat es die Landesregierung versäumt, die Impfkampagne zu organisieren und vor allem Kinder und Jugendlichen in Kitas und Schulen besser vor einer Infektion zu schützen. In vielen Schulen und Kitas regiert längst das Virus und nicht die Regierung Wüst. Auch der regelmäßige Fingerzeig nach Berlin ist nichts weiter als ein Ablenkungsmanöver von seiner ins Stottern geratenen Impfkampagne in NRW. Es fehlt an einem schlüssigen Konzept, wie insbesondere die Zahl Erstimpfungen wieder gesteigert werden kann und wie die Landesregierung mit Aufklärungskampagnen und aufsuchenden Impfungen die Impfbereitschaft steigern will. Stattdessen werden die Kommunen größtenteils mit der wichtigen Aufgabe allein gelassen, die Impfkampagne zu organisieren und umzusetzen.
Die Verkehrswende ist mit Ex-Verkehrsminister Wüst an der Spitze der Landesregierung buchstäblich im Stau stecken geblieben. Trotz großer Worten beim Ausbau von ÖPNV und Radverkehr fehlt es auch hier an konkreter Umsetzung. Das zeigt sich an dem von der Landesregierung vorgelegten Radverkehrsgesetz. Die Ziele der Volksinitiative ‚Aufbruch Fahrrad‘ mit 25 Prozent Radverkehrsanteil werden so auch in ferner Zukunft nicht erreicht. Für die derzeitigen Probleme mit der A45 ist auch Ministerpräsident Wüst verantwortlich, der seine Zeit als Verkehrsminister nicht ausreichend genutzt hat, um eine solche und vermutlich noch jahrelang anhaltende Katastrophe wie in Lüdenscheid zu verhindern. Statt sich auf den Erhalt der vorhandenen Infrastruktur zu konzentrieren, hat er jahrelang vor allem den Neu- und Ausbau von Straßen forciert. Die A45-Brücke ist ein Sinnbild für das Versagen schwarz-gelber Verkehrspolitik. Wüst hält am Status quo festgehalten, daran ändert auch alle Rhetorik nichts.“