10 Jahre Istanbul-Konvention – Meilenstein und Verpflichtung
Gewalt gegen Frauen und Mädchen ist ein Verbrechen, aber leider noch immer für viele eine alltägliche Erfahrung. Die Verabschiedung der Istanbul-Konvention vor 10 Jahren stellt einen Meilenstein in der Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen und Mädchen und zur Durchsetzung der Gleichberechtigung der Geschlechter dar. Gleichstellung und die Rechte von Frauen und Mädchen sind immer auch ein Gradmesser für den Zustand unserer Demokratie.
Die Istanbul-Konvention wurde am 11. Mai 2011 verabschiedet. Das Übereinkommen der Mitglieder des Europarates soll Frauen und Mädchen mithilfe von Gesetzen, politischen Maßnahmen und Präventionsstrategien vor Gewalt schützen. Bislang haben 43 Staaten das Abkommen unterzeichnet, aber nur 34 haben es auch bereits ratifiziert. Zum 1. Februar 2018 ist die Istanbul-Konvention auch in Deutschland in Kraft getreten. Mit großer Bestürzung mussten wir allerdings zur Kenntnis nehmen, dass ausgerechnet die Türkei als Erstunterzeichner seinen Austritt aus dem Abkommen erklärt hat. Aber auch in anderen europäischen Ländern sind die Istanbul-Konvention und das Selbstbestimmungsrecht von Frauen teils massiven politischen Angriffen ausgesetzt.
Frauenrechte sind Menschenrechte und sie gelten universell. Wir stehen solidarisch an der Seite der zivilgesellschaftlichen Gruppen, die sich, auch unter massivem politischen Druck, weiter für die Rechte von Frauen und Minderheiten einsetzen. Der Schutz und die Wahrung der Rechte von Minderheiten sowie der Kampf gegen Gewalt und Diskriminierung gehört zu den europäischen Grundwerten und den Grundwerten der Demokratie.
Auch in Deutschland bestehen weiterhin Schutzlücken für Betroffene von Gewalt. Trotz einiger Fortschritte im Kampf gegen Gewalt, klafft noch immer ein Lücke zwischen dem Anspruch, allen Frauen Schutz und Unterstützung bei Gewalt zu gewähren und der tatsächlichen Umsetzung des Gewaltschutz. Gerade für Frauen mit Behinderung, Flucht- oder Migrationsgeschichte, diversen geschlechtlichen Identitäten, aber auch für Frauen mit Suchtproblematik oder von Wohnungslosigkeit betroffene Frauen ist das Schutzsystem weiter mangelhaft. Auch Kinder als Betroffene häuslicher Gewalt müssen im Schutzsystem als eigenständige Gruppe wahrgenommen und unterstützt werden. Sie sind immer unmittelbar oder mittelbar von häuslicher und familiärer Gewalt betroffen.
Gewaltschutz ist eine gesamtgesellschaftliche Verantwortung. Die konsequente Umsetzung der Istanbul-Konvention braucht eine Gesamtstrategie. Vor allem aber braucht es ein bedarfsgerechtes Hilfesystem, in dem ALLE Gewaltbetroffenen Schutz und Unterstützung finden.
Wir brauchen aber auch aber auch mehr Prävention, Sensibilisierung und Aufklärung. Viele Betroffene von geschlechtsspezifischer Gewalt wissen nicht, wohin sie sich wenden können. Die Anlaufstellen und Schutzeinrichtungen der Frauenhilfeinfrastruktur müssen noch bekannter werden.
Die Istanbul-Konvention ist ein Meilenstein für die Rechte von Frauen und Mädchen. Es ist eine zentrale Aufgabe von Politik, Betroffenen von geschlechtsspezifische Gewalt umfassend zu schützen und zu unterstützen. Dafür müssen wir die rechtlichen Voraussetzungen schaffen, dass jede Frau einen Anspruch auf Hilfe und Unterstützung hat. Und wir müssen die Gewaltschutzeinrichtungen so stärken und weiterentwickeln, dass sie ihre Aufgabe erfüllen können, ohne ihre Kraft und ihr Engagement in die Sicherung der Finanzierung stecken zu müssen.