Josefine Paul (GRÜNE): Frau Präsidentin! Sehr geehrte Damen und Herren! Erstaunlich, nach fünf Jahren Regierungsverantwortung entdecken CDU und FDP das Thema „Sexismus“ für sich.
(Heiterkeit von Anja Butschkau [SPD])
Das ist ja wunderbar. Allerdings möchte man auch sagen: Für eine Kampagne hätten Sie bereits fünf Jahre Zeit gehabt. Aus meiner Perspektive heraus wird es jetzt ein bisschen schwierig, diesen Beschlusspunkt aus dem Antrag überhaupt noch umzusetzen. Aber vielleicht hat Frau Ministerin ja etwas vorbereitet in der Schublade.
Ansonsten halte ich auch das für eine hohle Phrase. Leider gibt es bei dem Thema nach fünf Jahren auch sonst nicht besonders viel Tätigkeit nach vorn.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Trotzdem will ich sagen, dass mit dem Antrag die richtige Analyse einhergeht. Ungleichwertigkeitsvorstellungen, wie eben Sexismus, gehen mit Abwertung, Hass, Diskriminierung und auch Gewalt einher, die sogar in tödlicher Gewalt enden können.
Es ist natürlich richtig, das zu adressieren. Das müssen wir immer wieder adressieren. Sexismus und Frauenfeindlichkeit sind Teil menschenfeindlicher Ideologien. Aber auch Stereotype, wie wir sie alle kennen, wie sie hier schon beschrieben worden sind, sind fester Bestandteil der Alltagslogiken mitten in unserer Gesellschaft.
Dafür zu sensibilisieren, ist richtig. Es ist unsere Aufgabe, jeden Tag dafür zu sensibilisieren. Es ist auch richtig, im Rahmen von Bildung über Alltagssexismus aufzuklären, dafür zu sensibilisieren.
Das alles ist richtig, der Antrag springt trotzdem zu kurz. Ich will auf den Punkt eingehen, den Frau Kopp-Herr schon genannt hat. Einen wirklich wichtigen Satz haben Sie in Ihren Antrag geschrieben, ohne ihn dann weiter auszuführen, nämlich: „Aus sexistischen Zuschreibungen resultieren auch Nachteile in der Arbeitswelt, der Politik und der Gesellschaft.“ Das ist völlig richtig.
Was hat Schwarz-Gelb gemacht, um hier Abhilfe zu leisten? – Als Allererstes, quasi als erste Amtshandlung der Koalitionsfraktionen aus CDU und FDP haben Sie 2017
(Regina Kopp-Herr [SPD]: Genau!)
die Quote im Dienstrechtsmodernisierungsgesetz geschliffen. Die groß angekündigten Lösungen sind Sie bis heute schuldig geblieben.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Sie haben damit auch für große Enttäuschungen gesorgt. Man hatte ja die Hoffnung, dass Sie mit dem großen Wurf um die Ecke kommen würden. Aber nein, schon im Sommer konstatierte der dbb enttäuscht, dass aus dieser Initiative wahrscheinlich nichts mehr würde, sie nicht mehr mit einer Initiative rechneten. Man muss leider sagen: Recht haben sie behalten. Die Landesregierung hat an der Stelle nicht geliefert.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Man muss auch sagen: Ja, Sie haben einen Gleichstellungsatlas vorgelegt. Das ist auch eine gute Datengrundlage. Ich habe heute noch mal hineingeschaut. Doch das löst kein einziges strukturelles Problem, wenn man nicht bereit ist, es auch politisch anzugehen.
Damit sind wir bei Punkt 2, Nachteile bei der politischen Partizipation. Auch darauf hat Kollegin Kopp-Herr schon hingewiesen. Der Anteil der Frauen im Landtag von Nordrhein-Westfalen liegt unter 30 %. Zwischen 2012 und 2017 ist er gesunken. Das heißt, man kann das Problem nicht einfach aussitzen und warten, dass es sich im Zeitablauf verändert. Nein, auch hier ist aktives politisches Handeln gefragt.
(Vereinzelt Beifall von der SPD)
Aber haben Sie uns bei der Frage eines Paritätsgesetzes unterstützt? – Nein, das haben Sie nicht.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Das ist, ehrlich gesagt, kein Grund, besonders stolz darauf zu sein. Denn es liegt auch in Ihrer Verantwortung, wenn sich der Frauenanteil in den Parlamenten nicht erhöht. Wir arbeiten eben nicht konsequent und mit der nötigen Verve daran, die strukturellen Hemmnisse, denen Frauen im parlamentarischen Betrieb begegnen, abzubauen.
Ein dritter Punkt – den hat auch Frau Wendland gerade angesprochen –bezieht sich auf die Frage der gesellschaftlichen Nachteile. Sie haben gesagt, es dürfe jetzt nicht um die Frage der geschlechtergerechten Sprache gehen, das würde ja nicht in die richtige Richtung führen.
Frau Wendland, jetzt mal ganz ehrlich: …
(Lachen von Anja Butschkau [SPD] – Simone Wendland [CDU] winkt.)
– Ja, ich sehe Sie. – … Sprache schafft Realität, und Sprache kann einen wichtigen Beitrag dazu leisten, die gesellschaftliche Realität abzubilden. Deshalb ist es natürlich richtig, dass wir alle Geschlechter auch sprachlich sichtbar machen. Denn wer Menschen sprachlich unsichtbar macht, der diskriminiert bestimmte gesellschaftliche Gruppen.
(Beifall von den GRÜNEN und der SPD)
Studien zeigen doch, dass das ganz klare Konsequenzen hat. Wenn ich nur vom Piloten, nur vom Polizisten, nur vom Handwerker schreibe, dann fühlen sich Mädchen davon ganz häufig nicht angesprochen. Andersherum fühlen sich Jungen nicht davon angesprochen, wenn in der Berufsbezeichnung nur von Erzieherin die Rede ist. Damit enthalten wir den Jungen und Mädchen jeweils sozusagen die Hälfte der gesellschaftlichen Sphäre, der beruflichen Perspektiven etc. vor.
Es ist doch notwendig und geradezu geboten, alle Chancen durch die Möglichkeiten, die unsere Sprache bietet, sichtbar zu machen. Dann eröffnen wir den Jungen und Mädchen sowie unserer Gesellschaft insgesamt ganz neue Perspektiven. Das muss der richtige Weg sein.
Zum Abschluss möchte ich noch sagen: Liebe Regina Kopp-Herr, alles Gute für den neuen Lebensabschnitt! Ich habe mich sehr über die zwölf Jahre der intensiven frauenpolitischen Zusammenarbeit gefreut. Ich hoffe sehr, dass wir uns in dem einen oder anderen frauenpolitischen Zusammenhang auch weiterhin sehen werden. Alles Gute dir!
(Regina Kopp-Herr [SPD]: Ja, klar! Danke! – Beifall von den GRÜNEN und der SPD)