Weltfrauentag: „Bist du jetzt so eine Emanze geworden?“
Anlässlich des 153. internationalen Frauen*kampftages am 08. März 2015 schreibt Isabel Elsner, FSJ-Praktikantin (Freiwilliges Soziales Jahr im politischen Leben) einen Gastkommentar:
„Bist du jetzt so eine Emanze geworden?“ …fragen mich gefühlt alle, die ich längere Zeit nicht gesehen habe. Und wenn dann auch noch gefragt wird, was ich denn so am Sonntag den 08. März mache und ich mit „Ich gehe für meine Rechte als Frau* auf die Straße“ antworte, können die meisten Menschen nicht mehr an sich halten: „Bei einer so männerverachtenden Sache machst du mit?“, „Willst du mir jetzt auch noch erzählen, dass ich im falschen Körper geboren bin?“, „Das ist doch schon alles in den Siebzigern gewesen, was setzt du dich denn mit so ollen Kamellen auseinander?“
STOPP! Noch mehr Vorurteile gegenüber Frauen*, vor allen Dingen jungen Frauen* wie mir, die sich für ihre Rechte einsetzten, konnten wohl nicht aufgeführt werden, oder? Wie man sieht, leider schon.
(Queer)feminismus und für die Rechte von Frauen* auf die Straße zu gehen ist keine männerverachtende Sache! Im Gegenteil; ich kenne genug Männer*, die sich für (Queer)feminismus einsetzten. Dafür einsetzten, dass Frauen* gleichberechtigt in Führungspositionen, in der Politik, in KFZ-Werkstätten etc. arbeiten.
Wir Frauen* sind diesen Problemen ausgesetzt: Weniger Bezahlung als Männer* zu erhalten ist normal. Ein Zustand der sich ändern muss. Frauen* werden sehr oft belächelt, wenn sie sich in Führungspositionen oder in der Politik bis nach oben gekämpft haben. Belächelt aufgrund ihres Geschlechts; belächelt dafür, dass sie es als Frau* geschafft haben und zwar nur als Frau*. Nicht aufgrund ihres Könnens! Das ist falsch und verwerflich. Nur weil Frauen* nicht in diesen Bereichen zu sehen sind, heißt das nicht, dass sie dort keine gute Arbeit leisten können.
Nicht alle Menschen sind „im falschen Körper“ geboren. Dafür sollten wir trotzdem diejenigen, die aus der Zweigeschlechtlichkeit herausbrechen wollen/müssen, schützen, akzeptieren, fördern! Dazu zählt auch, Geschlechterrollen und Geschlechternormen aufzubrechen. Sie irgendwann vielleicht sogar ganz abzuschaffen. Früher hieß das, dass auch Frauen* Hosen tragen dürfen. Das ist zum Glück bis heute überholt. Trotzdem sind lange Haare immer noch ein Zeichen von Weiblichkeit. Welche Frau* sich ihre langen Haare auf einmal abschneidet, wird (meistens entsetzt) nach dem Grund gefragt. Genauso wie komisch geguckt wird, wenn Männer* Nagellack tragen. Das ist verpönt. Nicht männlich. Sondern weiblich. Solche Beispiele finden sich in vielen Bereichen. Mensch sollte das tragen, was Mensch tragen möchte und das ohne Diskriminierung! Egal ob männlich oder weiblich.
Kommen wir nun zu meiner Lieblingsfrage: „Das ist doch schon alles in den Siebzigern gewesen, was setzt du dich denn mit so ollen Kamellen auseinander?“
Um diese Frage zu beantworten, muss man ein bisschen auf die Geschichte des Internationalen Frauen(kampf)tages eingehen: 1910 setzte sich die Sozialistin Clara Zetkin dafür ein, dass Frauen* keine Sonderrechte, sondern Menschenrechte seien. 1911 gingen erstmals Frauen* am 19. März auf die Straße, um das Wahlrecht und mehr politische Teilhabe zu fordern. Außer in Finnland durfte sich keine Frau* zu diesem Zeitpunkt politisch engagieren oder gar wählen. Dieses Recht wurde erst 1918 eingeführt. Seit 1921 wurde der 08. März zum internationalen Frauentag erklärt. Allerdings nur bis 1933, – mit der Herrschaft der Nationalsozialisten wurde der Frauentag verboten und stattdessen der Muttertag zelebriert: Es war eine „biologische Verpflichtung“ jeder Frau* „arische“ Nachkommen für die „Volksgemeinschaft“ zu produzieren.
Mit dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der Diktatur Hitlers wurde bereits 1947 in der Sowjetischen Besatzungszone (SBZ) wieder der Frauentag gefeiert. Allerdings erlangte der Frauentag erst 1980 wieder im Westen an Bedeutung. Klar hat sich einiges seit 1910 verändert und Frauen* haben über die Jahre viel geschafft: Wir dürfen wählen, in der Politik mitmischen, Hosen tragen (…) Dennoch ist immer noch eine Grunddiskriminierung vorhanden, wenn Frauen* abtreiben, alleinerziehend sind, nicht in der klassischen Familie leben, sich gegen (Alltags)-Sexismus (z.B. in der Werbung) wehren, in der Sexindustrie arbeiten oder gearbeitet haben und sich für gerechte Löhne einsetzen. Immer noch wird verlangt, dass sich Frauen* dem Patriachart unterwerfen.
Tendenziell ist nämlich keine Verbesserung von Frauen*rechten in der Welt zu sehen. Im Gegenteil. Die Anzahl verfolgter Menschen aufgrund ihres weiblichen Geschlechts nimmt zu. Laut UN-Weltbevölkerungsbericht 2013 wurden 7,3 Millionen Frauen in den Entwicklungsländern vor ihrem 18. Geburtstag schwanger, häufig als Folge sexueller Gewalt. Viele Frauen* und Mädchen müssen ihren Körper in Zeiten der Not unfreiwillig verkaufen um ihr Leben finanzieren zu können.
Aber was habe ich denn mit meinen 19 Jahren in Deutschland an Frauen*rechten zu bemängeln? Wenn man in die anderen Länder guckt, sieht es doch dort ganz anders und viel schlimmer aus. Ja, das stimmt. Ich bin froh, dass ich so etwas nicht erleben muss. Aber auch hier in Deutschland werden Frauen* und Mädchen Opfer von sexualisierter Gewalt. Und Migrant*innen sind trotz ihres Aufenthalts in Deutschland nicht vor Verfolgung aus ihren eigenen Heimatländern sicher.
Natürlich gibt es auch Dinge hier in Deutschland, welche Frauen* diskriminieren: Man schaue sich nur die Werbekampagnen von Coca Cola, Sixx und Calzedonia an und weiß, dass Frauen* dort als Sexobjekte angeprangert werden, was sich durchaus auf das Frauen*bild in der Gesellschaft auswirken kann. Frauen* sind kein Freiwild, kein Marketingobjekt und erst Recht kein Sexobjekt auf irgendwelchen Großbildwänden. Ich möchte mich für Frauen* und Mädchen einsetzten, mit ihnen kämpfen, sie nicht alleine lassen!
Nur gemeinsam kann man gegen solche Missstände angehen. Wir müssen aufstehen, um in einer Gesellschaft etwas erreichen und durchsetzen zu wollen. Ich möchte für eine (queer)feministische Welt kämpfen, in der keine Frau* jemals mehr Gewalt (aufgrund ihres Geschlechts) erfahren oder gegen Sexismus wehren muss.